Häuser eintüten

Die »Energie-Einsparverordnung« trägt ihren Namen zu Unrecht, jedenfalls, wenn man das Große und Ganze im Auge hat. Denn es reicht nicht, nur darauf zu achten, wie schnell Wärme durch Wände entweicht. Alle Eigenschaften des Dämmmaterials sollten Berücksichtigung finden. Im Falle von »Styropor« kann man nur Alarm schlagen.

Früher baute man Häuser mit massiven Mauern. Mauern, deren positive Eigenschaften bei der heute üblichen Berechnung zur »Energie-Einsparung« nicht gewürdigt werden. Die nicht nur dämmen, sondern auch die Wärme der Sonne speichern, was Heizenergie spart. Wird das Haus nun mit einer zusätzlichen Dämmschicht versehen, erreichen die Sonnenstrahlen nicht mehr die Mauern, so dass sie weniger erwärmt werden. (Stattdessen werden die leichten Dämmplatten beschienen, die die Sonnenwärme kaum speichern können.) Die Oberfläche der Fassade ist dadurch kühler. In thermografischen Fotos sieht die Fassade nun blau aus.
Diese blaue Färbung sagt also auch, dass weniger Sonnenwärme gespeichert und dann nach innen und außen wieder abgegeben wird.

Das Aufbringen einer zusätzlichen Dämmschicht aus anderen Materialien als das der Wand wird Wärmedämmverbundsystem genannt. Ein solches System soll sich durch eine angebliche Einsparung von 50 bis 70 Prozent Heizenergie bei Altbauten lohnen. In Wirklichkeit, wenn also in realen Bauten nachgemessen wird, liegen die gemessenen Einsparungen aber nur bei durchschnittlich 10 bis 15 Prozent.

Am häufigsten werden Polysterol-Dämmplatten (im Weiteren der Einfachheit halber Styropor genannt) für die Isolierung von Mauern nach außen genutzt, weil sie am billigsten in der Anschaffung sind. Doch dieses Material wird hauptsächlich aus Erdöl gewonnen – das Haus wird quasi in eine Plastetüte gesteckt. Hinzu kommen Kleber und weitere Materialien. Das Recycling dieses Gemisches ist sehr schwierig, bisher ist eine alte Dämmung mit Styropor ein Fall für den Sondermüll. Dagegen sind »alte« Baumaterialien wie Stein, Lehm und Holz problemlos entsorgbar und zu einem großen Teil sogar wiederverwertbar.

Und wie lange hält dieses Verbundsystem eigentlich? Oft werden 40 Jahre angegeben, doch bisherige Erfahrungen als auch theoretische Erwägungen deuten darauf hin, dass dieser Wert nicht erreichbar ist. Realistischer sind 10 bis 30 Jahre. Aber schon nach 2 bis 3 Jahren verfärben sich viele nachträglich gedämmte Fassaden und bekommen grau-grünliche Flecken. Grün-Algen verbreiten sich dann im Dämmmaterial, weil sie die gleichen Bedingungen vorfinden wie in ihrer ursprünglichen Heimat, dem feuchten Waldboden. Der Gegensatz von Kühle draußen und Wärme innen lässt Kondenswasser in der Fassade entstehen – ein ähnlicher Effekt wie
bei Autoscheiben im Winter.

Im Falle eines Dämmstoffs wie Styropor, der im Falle einer dauerhaft nassen Umgebung ebenfalls Wasser bald aufnimmt, entsteht so eine immerfeuchte Wand. Man kann sich leicht denken, dass dieses nasse Klima für die Gesundheit der Bewohner nicht dienlich ist, und dass die Bausubstanz darunter leidet. Bei Materialien wie Holz (wie bei Fachwerk), Sandstein oder Lehm zersetzen sich die Wände förmlich.

Um die Alge zu bekämpfen, haben sich die Herstellerfirmen eine sehr kurzsichtige Methode einfallen lassen: Das Styropor wird mit Gift
behandelt. Dieses wäscht dann in einem Zeitraum von etwa 5 Jahren aus und gelangt in den Boden. Danach ist das Gift nicht mehr in den Platten und die Alge kann doch noch kommen.

Seit 15 Jahren schon sind einige dieser Anti-Algen-Gifte in der Landwirtschaft verboten, weil manche von ihnen nur sehr langsam abgebaut werden und sich so in der Nahrungskette anreichern. Doch nun werden diese Gifte erneut verwendet.

Ganz allgemein gehen die Meinungen in der Fachwelt darüber auseinander, ob es sinnvoll ist, Gebäudemauern die Möglichkeit zu nehmen, Feuchtigkeit passieren zu lassen. Im Inneren eines Haus herrscht durch die Atemluft der Bewohner und andere Einflüsse oft eine größere Luftfeuchtigkeit als draußen. Durch eine nicht abgesperrte Wand kann diese Feuchtigkeit nach draußen abwandern, auch ohne dass Fenster geöffnet sein müssen. So werden Bauwerk und Bewohner vor übermäßiger Nässe aus diesen Quellen geschützt. Wo dagegen eine Styropor-Dämmung an der Wand klebt, ist keine Wanderung der Feuchtigkeit mehr möglich. Die Wahrscheinlichkeit für gefährlichen Schimmel und Bauschäden steigt erheblich.

Ein populärer Denkfehler in diesem Zusammenhang lautet: »Je besser die Dämmung, desto schneller kann warmgeheizt werden.« Doch je feuchter die Raumluft ist, desto langsamer erwärmt sie sich und desto mehr Energie wird für das Heizen verbraucht. Eine abgesperrte Wand kann also den Effekt einer Dämmung wieder aufheben!

Mit der Verkleidung stuckgeschmückter Häuser durch Außendämmung geht auch ein großes Stück Baukultur verloren. Theoretisch könnten zwar erneut gliedernde Elemente oder Stuck auf der Dämmung angebracht werden, in der Praxis wird das wegen höherer Kosten oder konstruktiver Probleme aber meist nicht getan.

Mit einer besseren Heizungsanlage lässt sich übrigens in etwa soviel einsparen wie mit einer  Fassadendämmung, obwohl diese meist viel billiger zu haben sein dürfte. Auch die Dämmung anderer Gebäudeteile als der Fassade bringt mit weniger Aufwand eine etwa gleich große Ersparnis. Doch daran würde die Dämmstoffindustrie nicht soviel verdienen: Die oberste Geschossdecke und die Kellerdecke zu isolieren, kostet durchschnittlich 2.250 Euro. Eine gedämmte Fassade dagegen verbraucht in der Regel 15.000 bis 20.000 Euro, obwohl in beiden Fällen 15 Prozent Energie eingespart werden können.

Weitere Punkte können hier nur kurz angerissen werden:

· Eine Wärmedämmverbundsystem verzeiht keine Baufehler, auch keine kleinen, denn auch kleine Fehler können über die Zeit zu schweren Schäden am Haus führen. Alle Beteiligten müssen penibel und fehlerfrei arbeiten. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür?

· Die Styropor-Platten sind sehr anfällig für Beschädigungen. Spechte picken sie gern kaputt, Ameisen bauen Gänge darin und machen eine Reparatur nötig. Wird diese verschleppt, drohen große Bauschäden.

· Bei einer 5 cm dicken Dämmschicht ist die Energie-Ersparnis im Verhältnis zu den Kosten am größten. Eine Dämmung dicker als 10  cm schließlich bringt nur noch kaum messbare Verbesserungen, die sich finanziell nicht lohnen. Üblich sind heute also unwirtschaftliche Dämmschicht-Dicken.

· Bei der Herstellung der Styropor-Platten wird sehr viel Energie verbraucht. Es kommen giftige Stoffe zum Einsatz. Ungeklärt ist wie gesagt auch das Recycling. Da es Alternativen zu diesem Dämmmaterial gibt, ist es unverständlich, warum es nicht politisch gestoppt wird.

· Die Styropor-Platten wirken bei Feuer wie Brandbeschleuniger. Giftige Dämpfe entstehen, außerdem schmilzt der Kunststoff und tropft herunter. Was sagt die Feuerwehr dazu? Im einem NDR-Fernsehbeitrag äußerte sich der Feuerwehrchef von Frankfurt am Main: »Hier in Frankfurt wurde (…) durch eine Dokumentation von der ersten Sekunde an belegt (…), dass dieser Dämmstoff absolut sofort überprüft werden muss, dass das weitere Verbauen (…) eigentlich sofort gestoppt werden müsste.« Und wie reagiert die Politik darauf? Der NDR sendete auch eine Äußerung eines Staatssekretärs im Bundesbauministerium: »Mir ist nicht wichtig, was der Feuerwehrchef sagt, ich war selber 25 Jahre Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr.«

Die Politik pflegt den Blick aus der Vogelperspektive. Man könnte einwenden, das müsse sie. Aber wozu gibt es Fachpolitiker, das Personal der Ministerien und beratende Fachleute? Wozu gibt es eine ganze Partei, die sich dem Umweltschutz verschrieben hat, wenn sie nicht in der Lage ist, die Debatte auf diesem Fachgebiet detailkritisch zu begleiten? Ein pauschales »Dämmung = Umweltschutz« ist zu wenig. Was bleibt, ist der Eindruck gefährlichen Aktionismuses, der Umwelt, Mensch und Bausubstanz schadet.

Was gibt es für Alternativen, wo doch ein unrealistischer Faktor (der Wärmedurchgangskoeffizient, genannt U-Wert) bei Sanierungen quasi zu »Dämm-Zwang« führt? Einiges spricht dafür, Verbünde verschiedener Materialien möglichst zu vermeiden, auch weil eine dauerhaft luftdichte Anbringung, egal welchen Dämmmaterials, kaum möglich erscheint. Andererseits gibt es aus Kostengründen die Nachfrage nach Wärmedämmverbundsystemen. Soll es also unbedingt ein solches sein, empfiehlt sich eine feuchtigkeitsoffene, umweltfreundliche Dämmung wie Schilfrohr, Hanf oder Zellulose. Für Neubauten wird auch die sogenannte Kerndämmung angeboten, die zwischen die Schichten einer zweiteiligen Wand eingebracht wird. Von einer Innendämmung wird zwar oft abgeraten, wenn sie aber mit Sachverstand ausgeführt wird, kann sie gut funktionieren.

Nicht am billigsten, aber unkomplizierter, robuster und am besten für die Wärmespeicherfähigkeit wären einfach dickere Wände.