Nun kommt es so – 2022

Es stellt sich heraus, dass der Osten die Veränderung der Welt seit Ende des Kalten Krieges nicht gelebt hat. Er verharrt in den alten Mustern. Kränkungen reißen wieder auf, eine Neuanfang wäre zu mühsam gewesen. Im Grunde hat er gar nicht bemerkt, dass sich die Welt grundlegend verändert hat.

Die Chance auf eine größere Veränderung, ist vorüber und vertan. Nun kommt die Veränderung anders, brutaler.

Die dringend benötige Seele, die einem fehlt

Die Zeitschriften stehen nicht mehr im Schaufenster. Das ganze Regal ist weg. Da sind nur noch ein paar Flaschen. Alle haben nur noch Flaschen. Besteht die Konkurrenzfähigkeit darin, die gleichen Flaschen anzubieten wie alle anderen, die ein paar Meter weiter auch offen haben?
Ich fand den Laden so gut, er war ein Stück von meinem Zuhause. Das merke ich erst jetzt, wo er weg ist. Naja, es gibt den Laden zwar noch, aber die ganzen schönen Zeitschriften sind weg, die, von denen ich eigentlich alle lesen wollte. Aber am Ende keine las. Weil ich keine Zeit habe. Ich muss zuviel arbeiten. Ich schaffe nicht, zu lesen, was ich lesen will. Ich interessiere mich für zuviel. Ich ertrinke in Information. Ich bin nicht diszipliniert genug, um nur das Wichtigste zu lesen. An meinem Bett stapeln sich Artikel, die ich lesen will, und doch nie lese. Ich greife einfach nicht nach ihnen.
Warum tue ich nicht, was ich tun will?
Vielleicht will ich gar nicht das, was ich denke zu wollen?
Aber was will ich dann?

Die Welt dreht sich zu schnell. Ich hinke immer hinterher. Ich sortiere immernoch die Kartons mit meinem alten Kram von vor 20 Jahren. Oder mehr. Ich werde alt.

Ich werfe immernoch weg wie ein Ossi. Nämlich nur das, was kaputt ist und sich nicht lohnt, zu reparieren. Wenn ich den Müll runterbringe, dann sehe ich, wie man heute wegwirft. Man schmeißt alles in die Tonne, was man in diesem Moment nicht braucht, egal, ob es noch funktioniert oder nicht. Man belastet sich nicht mit unnötigem Erdengewicht, man kann ja alles kaufen, wenn man es braucht  – wenn man es kann.
Man lebt nur einmal. Man zieht um. Man zieht der Arbeit hinterher. Man leistet sich keine Sentimentalitäten im Dinglichen, denn Wohnungen sind teuer und Umzüge auch. Alte Sachen sehen zerschrammelt aus, unansehnlich, sind veraltet, ineffektiv und nahezu peinlich. Patina kann man sich für die Stellen kaufen, wo sie die dringend benötigte Seele gibt, die einem fehlt.
Ich will aber nicht reden über die, die gar keinen Artikel oder kein Buch am Bett haben. Deren Nachttischlampe das Handy ist. Die denken auch, dass sie machen, was sie wollen. Nur dass ich bei denen sehen kann, das sie das eigentlich nicht wollen sollten.

Die anderen, die gibt es, die nur ein einziges Buch am Bett haben. Auf die gucke ich natürlich neidvoll. Aber ich glaube, die Auswahl, die ich habe, gefällt mir schon.Die Auswahl, die ich nicht nutze. Die Möglichkeit der Möglichkeiten – beruhigt sie mich? Nein, wie ich gerade bemerke, regt sie mich auf. Früher dachte ich, es sei das beste, sich Optionen offen zu halten. Aber es macht mehr Arbeit, sich Optionen offen zu halten, und macht alles nur schlimmer, wenn man vor lauter Optionen lieber gar nichts mehr macht oder zumindest nichts von den mühsam offengehaltenen Optionen.
Vor lauter Schreck nehme ich dann etwas Unwichtiges zur Hand, weil es sich leicht anfühlt, weil es sich wie eine freie Entscheidung anfühlt. Die freie Entscheidung, Optionen zu nutzen, die ich nicht bereitgehalten habe.
Am Ende ist zuviel immer zuviel. Wenn was da ist, das gut genug ist, dann reicht das. Du hast ja immernoch Deine Gedanken. Wenn Du noch welche hast.

Nun kommt es so – 11.11.2014

Es stellt sich heraus, dass der Westen die Veränderung der Welt seit Ende des Kalten Krieges nicht gelebt hat. Er verharrt in den alten Mustern. Durch den Beitritt des Ostens zum Westen war es für ihn nicht nötig, sich umzustellen. Im Grunde hat er gar nicht bemerkt, dass sich die Welt grundlegend verändert hat.

Die Chance auf eine größere Veränderung, ist vorüber und vertan. Nun kommt die Veränderung anders, brutaler.

Wir stehen nicht daneben

Wir entspannen uns so doll, dass wir alles in Frage stellen. Das kann doch alles nicht sein. Das ist doch alles verrückt. Da mache ich nicht mehr mit. Das ist mir zu blöd.

Rechts und links sind mir zu blöd. Die wollen uns spalten. Ich glaube das nicht mehr. Wer sagt denn das? Wo kommen wir denn da hin? Es kann doch nicht falsch sein, was eben noch richtig war. Wurden wir nicht genau davor gewarnt? Jetzt müsste doch das kommen, was wir verhindern müssen!

Wir sind alle eins. Reih‘ Dich ein! Nie war es einfacher, Revolutionär zu sein. Gemeinsam ziehen wir am Gras, das nie gekeimt ist.

Wir stehen darüber

Was sind das alles für Idioten! Habt ihr die gesehen? Hamsterer, Partyfeierer, Annieser. Egomanen allesamt. Unsoziales, panisches Gebrumm.

Zum Glück sind wir so anders. Zum Glück gibt es solche wie uns. Wir haben verstanden. Durch unsere instinktive Moral gehen wir voran und erleuchten diskret den Weg für alle. Deshalb, und nur deshalb, können wir uns auch kleine Abweichungen erlauben. Wie lächerlich wäre es, wenn wir, die das Große im Blick haben, uns pedantisch und kleinlich verhielten?

Wir bleiben entspannt.

Auf dem Land ist es vielen zu grün

Man kann und sollte »Bündnis 90/Die Grünen« viel vorwerfen. Zum Beispiel, dass das Erbe der ehemaligen Ex- und vormaligen Bürgerbewegung im ersten Teil des Namens völlig vergessen ist. Oder dass sie es sich allzu bequem im Gesättigten machen. Aber was sie ganz sicher nicht gemacht haben, ist, der »Ackerunke« (Acke-Runke? Acker-Unke!) Millionen von Euro zu geben, wie ich es neulich auf einem Transparent in einem Brandenburger Dorf las. Die Grünen wurden zwar nicht erwähnt, aber  sie schwangen sozusagen mit. Wie oft hört man auf dem Lande herrlich gruselige Geschichten über die Grünen! Daneben stand übrigens: „…aber kein Geld für Kinder“, was ich ebenso bedauerlich finde wie die Transparentmaler. Nichtsdestotrotz fand ich im gesamten Internet keine Ackerunke, was vielleicht daran liegt, dass sie nicht im Internet lebt, sondern vermutlich auf dem Acker. Wobei auf diesen totgespritzten Äckern, die um eben jenes Dorf herum zu finden sind, bestimmt keine Unke überlebt hat. Und die Ackerunke erst recht nicht, denn sie existiert ja ohnehin nicht. Und selbst wenn wir sie uns jetzt vorstellen, wie sie fett auf dem Acker sitzt, wer hat ihr wann und wo und warum diese Millionen gegeben? Ich bitte um Aufklärung!
Machmal glaube ich, viele Leute vom Land können nicht glauben, dass die Natur bedroht sei. Das liegt vielleicht daran, dass sie Menge, Macht und Weite der Natur noch ganz anders spüren als die Städter. Und mit der Natur gröber umgehen müssen, um zurecht zu kommen.

Pazifismus

Es gab so viele Ausreden, um Gewalt zu rechtfertigen, dass mir der Pazifismus als Prinzip unerlässlich erscheint. Denn erst, wenn man jemanden um keinen Preis töten darf, kann Buddha nicht mehr aus Mitleid mit dem Kharma des Attentäters denselben töten.