Eine Frage der Technik?

Das Leben zu vereinfachen, das ist heute unser großer Traum.

Ist klar, warum. Alles ist kompliziert, bla. Menschen aber sind im Grunde einfache Wesen. Sie brauchen das alles nicht, die ganze Auswahl. Da ist es zum Beispiel eine Methode, zum Discounter zu gehen. Dort muss man weniger wählen, und egal, was man wählt, man zahlt weniger.  Oder man kauft nur Computer von Apple. Ist ja schon schwer genug, zu entscheiden, ob man einen tragbaren oder einen stationären Rechner nehmen soll. Apple schränkt das wunderbar ein, aber eigentlich ist es immernoch zuviel. 13 oder 15 Zoll? SSD mit weniger Platz oder Festplatte mit mehr? Mit der Einfachheit ist es spätestens dann vorbei, wenn man neben dem Smartiephone, dem Laptop und dem festen Rechner auch noch ein iPad-mäßiges Gerät herumzuliegen hat. Obwohl alle diese Geräte in der Annahme der Vereinfachung angeschafft werden.

In Wirklichkeit aber wird mit jedem Ding, was wir besitzen oder benutzen, alles immer schlimmer. Denn selbst wenn sie scheinbar ganz einfach zu bedienen sind, so sind es trotzdem weiterhin extrem komplexe Geräte. Vielleicht müssen wir uns um Vieles nicht mehr kümmern, weil das fortan automatisch geschieht. Aber damit delegieren wir unseren Einfluss. Wir verlieren die Kontrolle darüber, was passiert und welche Daten wir weitergeben. Wir wissen nicht mehr, wie etwas funktioniert. Solange alles seinen planmäßigen Gang geht, haben wir trotzdem das Gefühl, von der größeren Komplexität zu profitieren. Doch wenn es hakt, dann sind wir ohnmächtig. Wie wechselt man nochmal ein Rad beim Auto? Oder einen Schlauch beim Fahrrad? Wie installiere ich das Betriebssystem bei einem MacBook Air neu, wenn ich gerade kein Internet habe? Gar nicht. Hab ich vergessen. Das hat meine Freundin immer gemacht.

Unsere Abhängigkeiten werden monströs durch die Technik, die so absonderlich wunderbare und phantastische Möglichkeiten eröffnet, von denen unsere Vorfahren nichts ahnen konnten. Manchmal bin ich sehr euphorisch, wenn ich sie benutze. Aber wir erkaufen uns dieses Leben auch sehr teuer – indem wir nicht mehr unser eigener Herr sind. Da erscheint uns ein einfaches mechanisches Gerät, dessen Funktionsweise wir sehen können, wie eine Wohltat. Oder auch eine einfache Tätigkeit wie das Bauen eines Unterstandes. Doch nicht mal das können die meisten. Beim Anblick eines wackligen kleinen Schuppens, der von
einem IT-Spezialisten zusammengenagelt wurde, wird einem das Erfolgsrezept unserer Gesellschaft klar: Spezialisierung. Jeder konzentriert sich auf eine kleine Nische, die er hoffentlich sehr gut beherrscht. Dadurch haben wir unglaubliche Fortschritte erreicht. Man könnte sagen, es ist das erfolgreichste Rezept, das die Menschheit jemals entwickelt hat. Nur
dadurch konnte die Technik den heutigen Stand erreichen, und dieser wird in einigen Jahren wieder fast lächerlich erscheinen gegen das immer und immer Bessere.

Aber könnte es sein, dass die Verfeinerung der Technik schon nicht mehr zu Verbesserung der Lebensverhältnisse beiträgt? Das wird jeder Erdenbürger anders beantworten. Es kommt auf das Spezialgebiet an. Meine Perspektive lautet: Auf vielen wichtigen Gebieten entwickelt sich der Mensch inzwischen nicht besser, sondern schlechter weiter als ohne oder mit einfacherer Technik. Es wird nicht zum Nutzen weiterentwickelt, sondern nur aus Gier: Geldgier und Neugier. Erstere finde ich verzichtbar, letztere nicht.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich eine Menschheit dabei selbst ausbremsen will. Sie wird alles ausprobieren, was möglich ist. Aber müssen wir davon begeistert sein und alle(s) mitmachen?

Dazu möchte ich einen Nazi-Kriegsverbrecher zitieren. Albert Speer hat nach dem Krieg selbstkritisch zurückgeblickt, obwohl auch er sich die wahren Dimensionen seiner Untaten nicht eingestehen konnte. Mich interessiert der folgende Ausspruch vor allem in Bezug auf unser Leben heute: Was kann unsere Generation für unser Leben daraus lernen?:

»Entscheidende Jahre meines Lebens habe ich der Technik gedient, geblendet von ihren Möglichkeiten. Am Ende, ihr gegenüber, steht Skepsis.«