Die Zeitschriften stehen nicht mehr im Schaufenster. Das ganze Regal ist weg. Da sind nur noch ein paar Flaschen. Alle haben nur noch Flaschen. Besteht die Konkurrenzfähigkeit darin, die gleichen Flaschen anzubieten wie alle anderen, die ein paar Meter weiter auch offen haben?
Ich fand den Laden so gut, er war ein Stück von meinem Zuhause. Das merke ich erst jetzt, wo er weg ist. Naja, es gibt den Laden zwar noch, aber die ganzen schönen Zeitschriften sind weg, die, von denen ich eigentlich alle lesen wollte. Aber am Ende keine las. Weil ich keine Zeit habe. Ich muss zuviel arbeiten. Ich schaffe nicht, zu lesen, was ich lesen will. Ich interessiere mich für zuviel. Ich ertrinke in Information. Ich bin nicht diszipliniert genug, um nur das Wichtigste zu lesen. An meinem Bett stapeln sich Artikel, die ich lesen will, und doch nie lese. Ich greife einfach nicht nach ihnen.
Warum tue ich nicht, was ich tun will?
Vielleicht will ich gar nicht das, was ich denke zu wollen?
Aber was will ich dann?
Die Welt dreht sich zu schnell. Ich hinke immer hinterher. Ich sortiere immernoch die Kartons mit meinem alten Kram von vor 20 Jahren. Oder mehr. Ich werde alt.
Ich werfe immernoch weg wie ein Ossi. Nämlich nur das, was kaputt ist und sich nicht lohnt, zu reparieren. Wenn ich den Müll runterbringe, dann sehe ich, wie man heute wegwirft. Man schmeißt alles in die Tonne, was man in diesem Moment nicht braucht, egal, ob es noch funktioniert oder nicht. Man belastet sich nicht mit unnötigem Erdengewicht, man kann ja alles kaufen, wenn man es braucht – wenn man es kann.
Man lebt nur einmal. Man zieht um. Man zieht der Arbeit hinterher. Man leistet sich keine Sentimentalitäten im Dinglichen, denn Wohnungen sind teuer und Umzüge auch. Alte Sachen sehen zerschrammelt aus, unansehnlich, sind veraltet, ineffektiv und nahezu peinlich. Patina kann man sich für die Stellen kaufen, wo sie die dringend benötigte Seele gibt, die einem fehlt.
Ich will aber nicht reden über die, die gar keinen Artikel oder kein Buch am Bett haben. Deren Nachttischlampe das Handy ist. Die denken auch, dass sie machen, was sie wollen. Nur dass ich bei denen sehen kann, das sie das eigentlich nicht wollen sollten.
Die anderen, die gibt es, die nur ein einziges Buch am Bett haben. Auf die gucke ich natürlich neidvoll. Aber ich glaube, die Auswahl, die ich habe, gefällt mir schon.Die Auswahl, die ich nicht nutze. Die Möglichkeit der Möglichkeiten – beruhigt sie mich? Nein, wie ich gerade bemerke, regt sie mich auf. Früher dachte ich, es sei das beste, sich Optionen offen zu halten. Aber es macht mehr Arbeit, sich Optionen offen zu halten, und macht alles nur schlimmer, wenn man vor lauter Optionen lieber gar nichts mehr macht oder zumindest nichts von den mühsam offengehaltenen Optionen.
Vor lauter Schreck nehme ich dann etwas Unwichtiges zur Hand, weil es sich leicht anfühlt, weil es sich wie eine freie Entscheidung anfühlt. Die freie Entscheidung, Optionen zu nutzen, die ich nicht bereitgehalten habe.
Am Ende ist zuviel immer zuviel. Wenn was da ist, das gut genug ist, dann reicht das. Du hast ja immernoch Deine Gedanken. Wenn Du noch welche hast.